Die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) definieren die Anforderungen der Finanzverwaltung an die Buchführung und die Archivierung digitaler Unterlagen. Ein zentraler Bestandteil dieser Anforderungen ist die sogenannte Verfahrensdokumentation.
Sie dient dazu, die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit digitaler Prozesse sicherzustellen und dokumentiert transparent alle internen Abläufe, die mit der Entstehung, Verarbeitung, Speicherung und Archivierung steuerlich relevanter Daten zusammenhängen. Ziel ist es, Betriebsprüfern der Finanzbehörde eine vollständige und systematische Einsicht in die Datenverarbeitung eines Unternehmens zu ermöglichen. Dabei gilt: Was nicht dokumentiert ist, gilt im Zweifel als nicht ordnungsgemäß.
Zielgruppe
Wer muss eine Verfahrensdokumentation erstellen?
Grundsätzlich sind alle Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler in Deutschland zur Erstellung einer GoBD-konformen Verfahrensdokumentation verpflichtet, wenn sie steuerrelevante Daten elektronisch erfassen, verarbeiten oder speichern. Diese Verpflichtung betrifft sowohl bilanzierungspflichtige Unternehmen als auch Einnahmen-Überschuss-Rechner.
Unabhängig von Größe oder Branche ist die Dokumentation notwendig, sobald digitale Prozesse Teil der Buchführung oder der steuerrelevanten Aufzeichnungspflichten sind. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wird die Notwendigkeit häufig unterschätzt, obwohl digitale Werkzeuge wie Buchhaltungssoftware, Cloud-Dienste oder Dokumentenmanagementsysteme längst zum Alltag gehören. Bei Betriebsprüfungen kann das Fehlen oder eine mangelhafte Ausführung der Dokumentation zu Hinzuschätzungen und steuerlichen Nachteilen führen.
Inhalte
Aus welchen Bestandteilen besteht eine Verfahrensdokumentation?
Eine vollständige GoBD-konforme Verfahrensdokumentation sollte mindestens folgende Elemente enthalten:
- Allgemeine Beschreibung des Unternehmens: Überblick über Unternehmensstruktur, verwendete Hard- und Software, organisatorische Abläufe sowie zuständige Ansprechpartner.
- Anwenderdokumentation: Beschreibung der eingesetzten Softwareprogramme und ihrer Anwendung im Tagesgeschäft. Hierzu gehören Bedienungsanleitungen, interne Arbeitsanweisungen und Prozessbeschreibungen.
- Technische Systemdokumentation: Darstellung der IT-Infrastruktur, eingesetzten Schnittstellen und Verfahren zur Datensicherung sowie des IT-Sicherheitskonzepts.
- Betriebsdokumentation / Internes Kontrollsystem (IKS): Regelungen zu Zugriffsrechten, Protokollierungen, Kontrollmechanismen sowie Maßnahmen bei Systemausfällen.
- Verfahrensbeschreibungen einzelner Prozesse: Darstellung zentraler Abläufe wie dem Umgang mit Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Kassenführung, Belegarchivierung und Datenübertragung an den Steuerberater.
- Änderungsdokumentation: Alle Änderungen an Systemen und Prozessen sind nachvollziehbar zu dokumentieren, z. B. Softwareupdates, neue organisatorische Abläufe oder Systemwechsel.
Die Dokumentation muss stets aktuell gehalten und bei jeder relevanten Änderung entsprechend angepasst werden. Die Verantwortung dafür liegt bei der Geschäftsführung.
Praxisbeispiele und Muster
Kleines Unternehmen
Muster-Verfahrensdokumentation für ein kleines Unternehmen:
Beispielunternehmen: MusterHandwerk GmbH – Handwerksbetrieb im Bereich Sanitär- und Heizungsbau mit fünf Mitarbeitern
Unternehmensbeschreibung
Die MusterHandwerk GmbH ist ein regional tätiger Handwerksbetrieb, gegründet im Jahr 2015. Das Unternehmen nutzt zur Buchführung die Software Lexware. Eingangs- und Ausgangsbelege werden digital verarbeitet und über DATEV Unternehmen online archiviert.
Softwareeinsatz und Prozessbeschreibung
Eingangsrechnungen
Prozessbeschreibung: Empfang per E-Mail an buchhaltung@ oder per Post → Scan mit Canon-Scanner → digitale Ablage auf dem Netzlaufwerk N im Ordner Belege (sortiert nach Jahr und Monat) → Upload in DATEV → Verbuchung durch Steuerberater
Verantwortlich: Frau MustermannAusgangsrechnungen:
Prozessbeschreibung: Erstellung in Lexware → PDF-Erzeugung → Versand per E-Mail → Archivierung im DATEV-System
Verantwortlich: Herr MustermannArchivierung:
Wöchentliche Sicherung des Belege-Ordners auf externer Festplatte. Automatische revisionssichere Speicherung in der DATEV-Cloud mit zusätzlichem wöchentlichem Backup auf externem Datenträger durch externen Steuerberater.
Verantwortlich: Herr MustermannZugriffsrechte:
Nur die oben autorisierten Personen mit ihren individuellen Benutzerkonten und Passwortschutz haben Zugriff. Beide Mitarbeiter werden regelmäßig geschult.
Änderungsdokumentation
Alle Systemänderungen, Softwareupdates (z. B. neue Lexware-Versionen) sowie Veränderungen in der Buchführungspraxis (z. B. Wechsel des Steuerberaters) werden in einem digital geführten Änderungsprotokoll dokumentiert. Die Verantwortung dafür trägt die Geschäftsführung.
Mittelgroßes Unternehmen
Muster-Verfahrensdokumentation für ein mittelgroßes Unternehmen:
1. Allgemeine Unternehmensbeschreibung
Unternehmen: Muster GmbH
Branche: Dienstleistungen
Standort: Berlin, zwei Niederlassungen in Hamburg und München
Mitarbeitende: ca. 85 (davon 10 in der Verwaltung, 15 im Vertrieb, 50 im technischen Außendienst, 10 in der Logistik)
Gründungsjahr: 2006Geschäftsmodell: Die Muster GmbH vertreibt Dienstleistungen an gewerbliche Kunden und bietet gleichzeitig Planungs- und Installationsdienstleistungen im industriellen Bereich an.
IT-Systeme und Softwarelandschaft
- ERP-System: SAP Business One
- Finanzbuchhaltung: DATEV Kanzlei-Rechnungswesen (externer Steuerberater)
- Dokumentenmanagement: DocuWare Cloud (GoBD-zertifiziert)
- E-Mail-System: Microsoft 365
- Kassensystem (Showroom): SumUp POS
- Cloud-Backup: wöchentlich über Veeam Cloud BackupOrganisatorischer Aufbau
Geschäftsführung: verantwortlich für strategische Entscheidungen und GoBD-konforme Organisation
IT-Abteilung: betreut Hard-/Software, Datensicherheit, Zugriffsrechte und technische Umsetzung
Buchhaltung (extern): Steuerkanzlei Müller & Partner, verantwortlich für Fibu, Lohn, Jahresabschluss
Controlling: internes Reporting, Datenanalyse, Schnittstelle zur Buchhaltung4. Verfahrensbeschreibung nach Prozessarten
4.1 Belegwesen
Eingangsbelege:
1. Lieferanten schicken Rechnungen per E-Mail (PDF) oder Post
2. Rechnungen werden durch die Buchhaltungsassistenz digitalisiert und im DocuWare-System archiviert
3. Sachliche und rechnerische Prüfung durch den jeweiligen Abteilungsleiter
4. Freigabe per digitalem Workflow (DocuWare)
5. Weiterleitung zur Buchung an die Steuerkanzlei über DATEV Unternehmen onlineAusgangsrechnungen:
1. Erstellung über SAP Business One nach Auftragsabschluss
2. Rechnungsfreigabe durch den Vertriebsleiter
3. Versand als PDF per E-Mail an Kunden, gleichzeitige Archivierung in DocuWare
4. Automatisierte Datenübertragung an Steuerkanzlei via DATEV-Schnittstelle4.2 Kassenführung
- Kassenbewegungen im Showroom werden über SumUp POS erfasst
- Tagesabschlüsse werden digital gespeichert und täglich durch die Verwaltung kontrolliert
- Monatliche Kassenberichte gehen an die Steuerkanzlei4.3 Bankbuchungen
- Zahlungseingänge und -ausgänge erfolgen über Online-Banking mit gesondertem Zugriffsrecht für die Verwaltung
- Bankkontoauszüge werden digital über die DATEV-Schnittstelle verarbeitet4.4 Reisekosten & Spesen
1. Mitarbeiter reichen Belege über eine Reisekosten-App (HRworks) ein
2. Digitale Prüfung und Freigabe durch Vorgesetzte
3. Archivierung im DocuWare-System, Datenübertragung an DATEV5. Internes Kontrollsystem (IKS)
- Vier-Augen-Prinzip bei allen Zahlungsausgängen
- Rechte- und Rollenverteilung im ERP-System
- Jährliche Schulungen zum Thema Daten- und Revisionssicherheit
- Protokollierung aller relevanten Änderungen und Zugriffe
- Regelmäßige Datensicherungen gemäß Backup-Plan (7-Tage-Zyklus)Technische Systemdokumentation
- Serverstruktur: zentrale Datenhaltung auf virtuellem Windows-Server mit RAID 10
- Sicherheitskonzept: Firewall, Zwei-Faktor-Authentifizierung, regelmäßige Updates
- Zugriffsprotokolle: automatisierte Protokollierung über Active Directory und DocuWare
- Archivierung: revisionssicher, manipulationsgeschützt, 10 Jahre AufbewahrungsfristÄnderungsdokumentation
- Systemänderungen (z. B. neue Software, Releasewechsel) werden von der IT dokumentiert
- Prozessveränderungen in der Verwaltung werden mit Versionshistorie in der QM-Datenbank hinterlegt
- Jedes Update des ERP-Systems wird getestet und dokumentiertAufbewahrung und Zugriff
- Alle steuerlich relevanten Dokumente werden ausschließlich digital archiviert
- Zugriff erfolgt rollenbasiert, Zugriff von außen nur via VPN
- Backups werden auf getrennten Servern in Deutschland gespeichertDiese Verfahrensdokumentation wird mindestens einmal jährlich überprüft und bei Bedarf aktualisiert. Für die Einhaltung ist die Geschäftsführung in Zusammenarbeit mit der IT- und Buchhaltungsabteilung verantwortlich.
Hinweis: Diese Beispiele stellen eine vereinfachte Übersicht dar. In der Praxis sollte jede Verfahrensdokumentation individuell auf die Prozesse und Systeme des jeweiligen Unternehmens abgestimmt sein. Besonders bei komplexen IT-Strukturen oder mehreren Standorten ist eine detaillierte und strukturierte Vorgehensweise unabdingbar. Gerne beraten wir Sie bei der Erstellung einer Verfahrensdokumentation für Ihr Unternehmen!