Das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) ist ein steuerliches Meldeverfahren innerhalb der Europäischen Union, das am 1. Juli 2021 eingeführt wurde. Es dient der Vereinfachung umsatzsteuerlicher Pflichten für Unternehmen, die grenzüberschreitende Lieferungen und Dienstleistungen an Endverbraucher (B2C) in anderen EU-Mitgliedstaaten erbringen. Das OSS-Verfahren ist Bestandteil des Mehrwertsteuer-Digitalpakets der EU und ersetzt bzw. erweitert das frühere Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS). Ziel ist es, den innergemeinschaftlichen Handel zu erleichtern, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und Mehrwertsteuerbetrug effektiv zu bekämpfen.

Ziel und Zweck

Das OSS-Verfahren ermöglicht es Unternehmen, sich in nur einem EU-Mitgliedstaat für alle relevanten grenzüberschreitenden B2C-Umsätze innerhalb der EU steuerlich zu registrieren. Damit entfällt die Notwendigkeit separater Registrierungen in jedem Bestimmungsland. Die zentrale Abwicklung reduziert den Verwaltungsaufwand erheblich, erhöht die Rechtssicherheit und fördert die Einhaltung steuerlicher Vorschriften.

Bisherige Regelung: Das MOSS-Verfahren

Das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS) galt seit 2015 und erlaubte die zentrale Erklärung grenzüberschreitender elektronischer Dienstleistungen sowie Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an Privatpersonen innerhalb der EU. Es unterschied zwischen einem unionsinternen und einem nicht-unionsinternen Verfahren, war jedoch ausschließlich auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt. Lieferungen von Gegenständen fielen nicht unter MOSS.

Verfahrensablauf

Unternehmen können sich freiwillig für die Teilnahme am OSS-Verfahren in einem EU-Mitgliedstaat registrieren. Die Anmeldung gilt für alle unter das Verfahren fallenden Lieferungen und Dienstleistungen an Verbraucher in der EU. Die Umsatzsteuer wird zentral gemeldet und abgeführt – quartalsweise über eine elektronische OSS-Erklärung beim zuständigen Finanzamt, in Deutschland beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

Lieferschwelle von 10.000 Euro

Eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung des OSS ist das Überschreiten der EU-weiten Lieferschwelle von 10.000 Euro netto jährlich. Solange der Gesamtwert der grenzüberschreitenden B2C-Lieferungen und elektronischen Dienstleistungen diesen Betrag nicht überschreitet, können die Umsätze weiterhin im Ursprungsland nach dessen nationalem Umsatzsteuerrecht versteuert werden. Erst mit Überschreiten dieser Schwelle ist die Besteuerung im Bestimmungsland verpflichtend, was den Anwendungsbereich des OSS eröffnet.

Teilnehmende Unternehmen dürfen für die betroffenen Umsätze keine separate Registrierung in anderen Mitgliedstaaten vornehmen. Die ordnungsgemäße Nutzung setzt insbesondere die fristgerechte Einreichung von Erklärungen sowie die Einhaltung detaillierter Aufzeichnungspflichten voraus.

Rechtsgrundlagen

Die unionsrechtliche Grundlage bildet die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), insbesondere die Artikel 369a ff. der Richtlinie 2006/112/EG in der durch Richtlinie (EU) 2017/2455 geänderten Fassung. In Deutschland erfolgt die Umsetzung durch die §§ 18i bis 18k Umsatzsteuergesetz (UStG) sowie ergänzend durch die Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV).

Praktische Anwendungsbeispiele

Beispiel 1: Verkauf und Lieferung aus Deutschland in ein europäisches Land (B2B)

Ein deutsches Unternehmen verkauft Maschinen an ein Unternehmen in Frankreich. Da es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, ist das OSS-Verfahren nicht anwendbar. Der Umsatz ist in Deutschland steuerfrei, während der französische Erwerber die Umsatzsteuer im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens schuldet.

Beispiel 2: Verkauf und Lieferung aus Deutschland in ein europäisches Land (B2C)

Ein deutscher Onlinehändler verkauft Kleidung an eine Privatperson in Italien. Solange der Gesamtwert seiner grenzüberschreitenden B2C-Verkäufe 10.000 Euro netto nicht übersteigt, wird der Umsatz in Deutschland versteuert. Wird die Lieferschwelle überschritten, ist die Umsatzsteuer des Bestimmungslandes (Italien) anzuwenden. Der Händler kann diese Umsätze über das OSS-Verfahren zentral melden.

Beispiel 3: Verkauf aus Deutschland und Lieferung aus einem anderen europäischen Land in ein weiteres europäisches Land (B2C)

Ein deutsches Unternehmen betreibt ein Warenlager in den Niederlanden und liefert an eine Privatperson in Spanien. Da der Versand aus den Niederlanden erfolgt, gilt der Umsatz als im Versandland steuerpflichtig, es sei denn, das Unternehmen nutzt das OSS-Verfahren. Die Lieferschwelle ist hier nicht anwendbar, da der Versand nicht aus Deutschland erfolgt.

Beispiel 4: Verkauf aus Deutschland und Lieferung aus einem anderen europäischen Land in ein weiteres europäisches Land (B2B)

Ein deutsches Unternehmen liefert Ware aus seinem Lager in Belgien an ein Unternehmen in Österreich. Da es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, ist der Umsatz in Belgien steuerfrei und der österreichische Empfänger schuldet die Umsatzsteuer im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens. Das OSS-Verfahren findet keine Anwendung, da es sich um einen B2B-Umsatz handelt.

Rechtliche Hinweise: Bitte beachten Sie, dass wir keine Steuer- oder Rechtsberatung erbringen dürfen und mit dieser Information keine Steuer- oder Rechtsberatung erbracht wird. Es handelt sich um allgemeine und öffentlich zugängliche Informationen, die auf den jeweiligen Sachverhalt Ihres Unternehmens im Einzelfall anzupassen und aus steuer- und rechtlicher Sicht zu bewerten sind. Bitte holen Sie eine auf Ihre Umstände zugeschnittene Beratung Ihres Steuer- bzw. Rechtsberaters ein, bevor Sie Entscheidungen über die sich in Zusammenhang mit diesem Thema befindlichen Informationen treffen. Für die Richtigkeit der in diesem Artikel enthaltenen Angaben können wir trotz sorgfältiger Prüfung keine Gewähr übernehmen. Sie haben einen Fehler auf unserer Seite entdeckt? Dann freuen wir uns über Ihren Hinweis, wo er sich befindet. Nutzen Sie hierzu bitte unser Hinweisgeber-Meldeportal.